Sonntag, 22. Juni 2014

Nochmal Vancouver und dann Seattle (30.5. - 2.6.)

(Tobi) In Whistler konnten wir kurz erleben, was uns bisher wegen der Nebensaison erspart geblieben war: Touris, die etwas zu viel Alkohol auf einmal konsumiert hatten und spät Abends ausgelassen gröhlend in Gruppen umherirrten. Da wir gerade keine Ausrüstung zum Snowboarden dabei hatten, fuhren wir morgens gleich wieder weiter, bzw. wieder zurück nach Vancouver. Dort besuchten wir Lucille und ihre beiden Kinder Madeleine und Carlin (ein weiterer Kontakt über ein Gemeindemitglied aus Hanstedt :). Heldenhaft hatte Carlin sein Kinderzimmer für uns geräumt, um kurzfristig ins Schlafzimmer seiner Mutter umzuziehen. Wir hatten eine sehr entspannte Zeit bei den Dreien. Wir konnten einem amerikanischem Phänomen beiwohnen, dem Plantschen im Pool des eigenen Wohnviertels. Ich weiß nicht, ob es in Deutschland auch sowas gibt. Ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, mit seinen Nachbarn wenigstens einmal im Jahr sozialen Kontakt herzustellen. Tatsächlich staunten einige Erwachsene nicht schlecht, wie sehr einige Nachbarskinder doch seit dem letzten Pool-Besuch im vergangenen Jahr gewachsen sind. Das Prinzip ist ganz einfach: Man schnappt sich seine Kinder, nutzt den eigenen Haustürschlüssel, um in den verbretterten Vergnügungsbereich zu gelangen, die Kinder springen unvermittelt ins chlorifizierte Nass und das Elternteil fletzt sich genügsam in einen Sonnenstuhl und holt sein Tablet heraus. Das Ganze ist ein Selbstläufer. Es bedarf nur ab und an ein paar strenger Worte, um dem lästigen Trösten der Jüngsten vorzubeugen. Um Lucille jetzt nicht ins falsche Licht zu stellen, muss ich dazu sagen, dass sie sich hingegen währenddessen sowohl mit Nachbarn als auch mit ihren Kindern aktiv unterhalten hat! Da der Pool kaum Möglichkeiten zum Schwimmen barg, vergnügten wir uns mit den Kinners: Wassergewehre, Ballspiele usw...
Nach ungefähr zwei Stunden unterbrachen wir den nicht enden wollenden Spieltrieb und machten einen Ausflug ins Fischerdörfchen Richmond und gönnten uns herrlich leckere Fish&Chips. Jup, das gefiel uns Norddeutschen sehr gut!
Der nächste Tag war dann schon wieder ein Sonntag - ab zum Gottesdienst. Die Dimensionen waren gigantisch: Stellt euch vor, ihr seid Teil einer großen Masse, die sich zur Hamburger Du und deine Welt Messe bewegt. Die Kirche hatte mit mehreren Besitzern großer Parkplätze abgemacht, diese Sonntags zu ihren gleich mehrmals hintereinander stattfindenden Gottesdiensten nutzen zu dürfen. So kam uns auf unserem Fußweg zur Kirche die riesige "Frühschicht" entgegen. Die Kirche wird von insgesamt 5.000 Leuten besucht. Verständlich, dass da ein Gottesdienst nicht ausreicht. In dem entsprechend riesigen Gebäude hatten wir nach dem Gottesdienst Mühe, uns im großen Gedränge nicht zu verlieren. In einem großen Saal wurden unterschiedliche Mittags-Menüs angeboten. Lucille lud uns ein, wir lernten ein paar Leute kennen und ließen uns berieseln von asiatischen Tänzen und anderen Darbietungen. Wir waren mitten drin in den internationalen Wochen der Kirche. Verschiedene Nationalitäten hatten Informationsstände über ihre ursprüngliche Heimat aufgestellt. Sehr beeindruckend waren zwei alte Chinesen, die unsere Namen in eine chinesische Bedeutung übersetzten und uns diese dann mit künstlerischen Schriftzeichen aufschrieben. Fenjas Namen übersetzten sie mit "Beautiful Phoenix" (meine Bedeutung wird nachgereicht... liegt irgendwo im Van).

Teile des Brandenburger Tores
Am Nachmittag wurden wir dann ganz aufgeregt, weil eine spannende Aufgabe vor uns stand: Die Überquerung der kanadischen Grenze in die unendlichen Weiten der Vereinigten Staaten von Amerika (kurz VSA). Aufgeschreckt von einer Fernseh-Doku über angstmachende Geschichten, in denen kanadische Grenzbeamte Kleinkriminelle zurück in ihr Heimatland geschickt haben, bibberte es uns doch etwas, ob wir rüber kommen würden, ohne dass sie unsere fahrbare Unterkunft auf den Kopf stellen. An der Grenze wurden wir von vielen Kameras freudig in Empfang genommen. Nachdem ich dem Grenzbeamten etwas zu kompliziert erklärt habe, wie wir an unser Auto gekommen sind (und dass es wirklich unser Auto ist, auch wenn der Fahrzeugschein etwas anderes sagt), wurden wir zum Parkplatz geleitet, um uns das 90 Tage Visum zu holen. Das Personal dort war äußerst entspannt und wie so oft gab es auch hier Verbindungen nach Deutschland. Ein gut gelaunter Beamter erzählte uns, dass seine Familie in Deutschland wohne und er am meisten das deutsche Schmalz vermisse. Er genoss es, dieses Wort laut und wiederholt auch den anderen deutschen Touristen in der Reihe zuzurufen. Wieder am Auto war alles wie wir es hinterlassen hatten - die Suche nach Drogen und Waffen blieb uns erspart.
Uns wurde von kanadischer Seite schon oft gesagt, die Amis seien so unfreundlich, hektisch und vernarrt in Waffen. Wenn du einen Kanadier sauer machen willst, nenne ihn einfach Amerikaner. Sie legen viel Wert darauf, nicht gleichgestellt zu werden. Als sollten diese negativen Vorurteile in unseren Köpfen endgültig eingepflanzt werden, erlebten wir auf unserem ersten Stop in den Staaten dann auch gleich etwas sehr Verstörendes: Um unsere kanadischen Dollar in US-Dollar umzutauschen, steuerten wir ein Kasino an. Ich hatte gelesen, dass es die kanadischen Bewohner an der Grenze so machen, wenn sie mal eben günstig in den USA einkaufen oder tanken wollten. Zu dieser Geschichte muss gesagt werden, dass ich vorher noch nie in einem Kasino war, was den Schockeffekt nur noch erhöhte. Erinnert ihr euch an unseren Beitrag, wo wir die Columbia Icefields als den Eingang zum Himmel bezeichneten? Diese riesige Kasinohalle war eindeutig der Eingang zur Hölle! Statt vom hellen Sonnenlicht geblendet zu sein, wurde es immer dunkler - mitten am Tag. Statt der klaren, frischen Luft umgab mich bald ein Geruch von toxischen Dämpfen aus Zigaretten und Bierdosen. Die unfassbare Stille der Glätscherlandschaft wurde hier ausgetauscht von einem schwammigen Brei aus Gedudel und Gepiepe der unzähligen Spielautomaten, die in den unterschiedlichsten Farben die Halle mit einem unwirklichen Flimmern bedeckte. Menschen verschiedenster Alters- und Gesellschaftsklassen saßen gefesselt vor diesen herzlosen Maschinen, um sie immer und immer wieder mit ihren abgegriffenen Dollarscheinen zu füttern. Als wir Kinder waren, wurde uns so lange eingeflößt, still zu sitzen, bis wir dieses Herumgammeln vor einem Bildschirm tatsächlich als die gesellschaftskonforme Art von Spielen annahmen. Und irgendwann waren wir dann auch soweit eingenordet, dass wir Geld so einen großen Stellenwert gaben, dass wir dieses "Spielen" "nutzten", um möglichst viel davon zu bekommen. Ich war dankenswerter Weise überhaupt nicht daran interssiert, dieses seltsame Spiel einmal selbst auszuprobieren. Stattdessen bahnte ich mir den Weg zum Cashier, wo ich unsere schönen, bunten kanadischen Dollarscheine gegen wie Spielgeld scheinende US-Noten austauschte - wie passend.
Fenja konnte dieser Begegnung des Bösen nicht beiwohnen, weil sie noch zu jung für die amerikanische Hölle ist. Ihr erstes atemberaubendes US-Erlebnis war dann, auf einem pro Richtung sechsspurigen Highway zu fahren.
Die berühmte Kaugummi-Wand
Nur zwei Stunden später sollte sich unser nun endgültig zerstörtes Bild vom "Guten US-Bürger" aber wieder zum Guten wenden. Um 20 Uhr fanden wir in Seattle einen traumhaft tollen Biomarkt namens Whole Foods. Auf einer riesigen Fläche gab es alles, was das Herz eines umweltbewussten Neureichen begehrt! Wir sogen all die schönen Oberflächen, Gerüche und Formen in uns auf und genossen im Cafébereich mit gutem Gewissen eine Pizza plus Eis.
Seattle
Nach ganzen zwei Stunden Regeneration machten wir uns auf die Suche nach einem Schlafplatz für unser Auto. Es wurde eine einstündige Stadtrundfahrt mit Happy End. Ein Walmart-Manager lies uns zwar nicht auf seinen Parkplatz, verwies uns aber auf einen anderen Camper, der schon seit drei Tagen gleich nebenan am Straßenrand stand.
Am nächsten Morgen entschieden wir uns, dem Van den Stadtverkehr nicht anzutun und stattdessen mit dem Bus einfach mal drauf los zu fahren. Wir landeten in Overlake und anschließend Downtown. Dort zogen wir das übliche entspannte Programm durch: Schlendern durch die Straßen, ein nettes Café mit freiem Internet ansteuern und hier und da ein paar Attraktionen ansehen.
Am Abend machten wir noch etwas Strecke und konnten beim Walmart in Thompson Place unterkommen.

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